Manfred Gebhardt: Dietmanns Diamanten sind tödlich/Leseprobe

Eins

Es war schon merkwürdig bei dieser Einweihung einer Driving Range Hall. Eine Indoor Anlage. Was für Honoratioren dort anzutreffen waren. Da war der Herr Amtsgerichtsdirektor Bayerl, schön rund und fast keine Haare mehr auf dem Kopf, schon ganz rot im Gesicht, aber nicht von der Sonne. Ihm schmeckten halt der Sekt und dann noch der Lemberger von der Roßwager Halde. Fast alle Zahnärzte aus dem Landkreis und der leitende Medizinische Direktor des Kreiskrankenhauses gaben sich ein Stelldichein. Auch einige Bürgermeister der umliegenden Ortschaften konnte Elmar Garner erkennen. Die Sonne versuchte sich neugierig durch die Wolken zu drücken. Man könnte auch sagen, sie versteckte sich dahinter wie eine orientalische Frau hinter ihrem Schleier oder wie die Frauen, die in die Harems gesperrt waren oder sind, sich hinter den kleinen Öffnungen in den Fenstern vor den Blicken Fremder versteckten und doch sehen konnten, was auf den Straßen vor sich ging.

Garner fragte sich, was der Kameramann, den die Redaktion geschickt hatte und der ihn mit auf die Schwäbische Alb genommen hatte, wohl an Bildmaterial in der Redaktion ablieferte. Es wurden Reden gehalten. Die waren es, seines Erachtens, nicht wert, dass man sie aufnahm oder gar mitschrieb, wie eine Kollegin vom Metzinger Kurier sich abmühte. Es könnte aber auch sein, dass sie an ihrem nächsten Liebes-Heimat-Roman schrieb. Oder war es der Einkaufszettel?

Eigentlich war die schon etwas ältere Kollegin ja recht nett. Ah, sieh mal, der Herr Oberbürgermeister der Kreisstadt war auch da. Wahrscheinlich hielt der auch eine Wahlrede. Oder heißt es nicht, dass einer der Oberbürgermeister sich bei der Range eingekauft hat und nach seiner Pensionierung die Rendite einschiebt. Elmar wollte es nicht mehr wissen. Das gab bloß Ärger. Leider war das Buffet noch nicht eröffnet. Bis es etwas zu essen gab, wollte er bleiben. Es war die beste Gelegenheit, von den Rednern ihre Vortragsnotizen zu bekommen, wenn man sie beim Essen fragt. Vielleicht kann ich dann mit der Kollegin in die Kreisstadt fahren. Sonst müsste ich ein Taxi rufen und das kostet von hier aus doch eine Stange Euros.

Er versuchte schon mal, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen. Aber sie war in ihre Schreiberei vertieft. Also schlich er sich in die Nähe des Buffets. Ah, sieh mal, der Herr Landtagsab-geordnete Brielmeier war auch gekommen und stand schon am Büffet.

Guten Tag Herr Brielmeier“, begrüßte Elmar ihn freundlich, entgegen seiner wirklichen Gesinnung.

Dem Brielmeier sein Grüß Gott fiel etwas knapp aus. Journalisten sind halt nur dann die Freunde der Abgeordneten, wenn sie im Wahlkampf positive Dinge über die Damen und Herren Abgeordneten schreiben. Aber er kann es nicht lassen. So wie er früher international die Finger in die Wunden des Weltgeschehens gelegt hatte, machte Elmar das ab und zu auch heute noch. Wie meinte seine Frau: „Du lässt auch keine Chance aus, dich unbeliebt zu machen.“ „Aber Lene“, erwiderte er dann lachend, „solange du mich liebst und ich dich liebe, brauche ich nicht bei anderen beliebt zu sein.“ Na ja, damals, nach seinem Unfall, merkte er, dass es doch gut ist, Freunde zu haben.

Zwei

Hallo, bist du doch gekommen?“, rief es vom Rand des Rasens.

Die sagen hier Green dazu. Elmar dachte nicht, dass er gemeint war. Aber dann kam eine große athletische Gestalt auf ihn zu. Er war sicher schon etwas älter als Elmar, aber er ging ganz beschwingt und sehr aufrecht. Zuerst wusste Garner nicht, wer der Sprecher war und dass damit das Unheil auf ihn, Elmar, zukam. Aber an den blitzenden Zähnen, Raubtierzähne, meinte er ihn doch zu erkennen. Klar, der ging mal mit Elmar Garner zur Schule. Dadurch, dass Elmar erst als Dreizehnjähriger in die Ortschaft zog, eigentlich zogen seine Eltern um, und ihn hatten sie im Schlepptau, war er nicht allzu lange mit den Klassenkameraden zusammen. Aber wenn er mit ihm in die Schule ging, musste er fast gleichaltrig sein. Junge, sieht der Kerl alt aus, dachte Elmar. Was will er denn von mir. Ich bin doch kein VIP. Vielleicht meint er mich auch nicht.

Elmar drehte sich also um, aber es war niemand hinter ihm, und der ging zielstrebig auf ihn zu. „Ich sehe schon, du kennst mich nicht mehr. Aber es ist auch nicht verwunderlich. Wir haben uns mindestens zwanzig Jahre nicht mehr gesehen. Ich bin Dirk Dietmann und du bist Elmi Garner.“

Wie er das Elmi hasste! Wahrscheinlich hat dieser Typ das absichtlich gesagt, damit er wieder einmal merkte, dass er Elmar über ist. Aber er tat ihm den Gefallen nicht, dass er ihn berichtigte. Elmar spielte den Gelassenen. Den Abgeklärten, den nichts mehr erschüttern kann. „Tag auch“, drückte er zwischen seinen Zähnen hervor. „Ich hätte es mir denken können, dass du auch bei diesen Leuten bist. Als Zahnklempner kennst du deren Innenleben von der Mundhöhle runter fast bis zum Bauch.“

Dietmann lachte und meinte: „Kein Zahnarzt mehr, es hat sich damit, den Leuten in den ungeputzten Mund zu gucken, niente, vorbei. Du hast recht, da sieht man mehr als man will. Vor allem, man riecht mehr.“

Elmar überlegte, ob er jetzt Mitleid mit ihm haben sollte. So wie er Dirk Dietmann in Erinnerung hatte, konnte das nur bedeuten, dass Dietmann jetzt ein lukrativeres Geschäft hatte.

Dietmann brachte ihn im Verlauf des Essens so weit, dass er zustimmte, sich mit ihm mal zu treffen. Er würde ihm gerne mehr über sein Geschäft und die Sache mit der Vermögensberatung erzählen. Das war für Garner Grund genug, auf den weiteren Teil des Büfetts zu verzichten. Er schob einen Termin vor, den er noch heute wahrnehmen müsse, und wies darauf hin, dass er, Dietmann, ja wahrscheinlich seine Telefonnummer wisse und man könne dann einen Termin vereinbaren.

Die Kollegin aus Metzingen war auch bereit zu fahren und nahm ihn gerne mit nach Urach, Bad Urach, wie es seit vielen Jahren heißt. In Bad Urach ging er in das Hotel Vier Jahreszeiten. Er brauchte einfach Abstand und Gelegenheit zu resümieren, was das war. Hier in diesem Hause war Geschichte, ein Teil seiner Geschichte. Hier hat er mal vor langer Zeit gekellnert. Es gab ganz schönes Geld und der damalige Besitzer der Gaststätte, der, wie man sehen konnte, sie gut ausbaut hatte, war ein ziemlich netter Kerl. Meistens gab er nach Feierabend im Beatkeller noch einen an die Stammkunden aus. Da musste ihn, Elmar, auch mal der Kochlehrling nach Hause bringen. Seitdem kam er aber immer alleine oder zumindest ohne Hilfe nach Hause. Er aß eine Kleinigkeit und trank ein Glas Barolo dazu. Es kannte ihn niemand. Das gefiel ihm, aber es war auch schade. Es ist doch so, wie Lene gerne sagte: Mach dir Freunde, sonst fehlen sie dir irgendwann.

Nach dem Essen schlenderte er über den Marktplatz mit seinem schönen Brunnen. Er wusste gar nicht mehr, ob es jetzt inzwischen doch das Original war oder ob das Original nach Frankreich transportiert worden war und hier nur eine Kopie steht. Er besuchte noch den Buchladen von Frau Hunziker, den gab es früher in seiner Jugend nicht. Dann ging er über den Marktplatz weiter zum Café BeckaBeck.

Der Mensch ist nie alleine, am wenigstens da, wo er es sich erhofft oder erwartet. So saß dort Wilfried, einer seiner früheren Schulkameraden. Wilfried war älter geworden. Seine rotblonden Haare waren schon sehr licht. Er hatte ein rundes rotbäckiges Gesicht. Die Nase leicht nach vorne unten gebogen. Was ihm beim Wein kosten sehr zugute kam. So war die Nase nahe am Glas und prüfte schon vor dem Gaumen die Kostbarkeit. Er war auch etwas rundlich geworden. Nicht dick. Elmar dachte, dass es nicht schaden konnte, wenigstens einen Ureinwohner zum Freund zu haben, und so setzte er sich zu ihm. Wie nicht anders zu erwarten, begann Wilfried ihn nach seinem Woher und Wohin zu fragen. Garner erzählte Wilfried, mit dessen Arglosigkeit er rechnen konnte, dass er bei der Eröffnung einer Driving Range Hall auf der Alb war und jetzt mal wieder Urach besichtigen wollte.

Wilfried meinte: „Es hodd sich ja ned vil gänderd.“ Elmar widersprach ihm: „Na ja, gegenüber früher schon. Du bist jetzt Pfarrer.“ Wilfried korrigierte: „Bredigr, des isch ebbes anderes.“ „Egal“, fuhr Elmar fort, „und auch manches Gute ist nicht mehr da. Zum Beispiel Café Schladerer mit seinen wunderbaren Schwarzwälder Kirschtorten.“ „Jo, da haschd du scho rechd odr woischt du no jemand, der no einr Veranschdaldung Serviedda einsammeld um sie dahoim als Klobabir odr Schnubftieuch zu verwenda wie des mai Großmuadr gmachd hedd?“

Elmar musste lachen und Wilfried fiel herzhaft mit ein. Wilfried wollte ihn nun überreden, bei einer seiner Versammlungen in seiner Gemeinde einen Vortrag über Fremdenfeindlichkeit zu halten. „Odr du schbrichschd ganz allgemein übr die Weldlag ond warum die Weld in Euroba ond Amerika ond anderswo so nazionalischdisch gworda isch. Des isch do ned chrischdlich. Jesus hedd do gsagd, dass man die Fremdling ufnehma soll ond ned nur der Drumb ban Maura baua wölle mir in Europa dun des au an unsre Grenza. Schdimmd des, dass die Tierka uf die Syra schiessa, wenn sie zu uns komma wolla Und die Schbanier würda des au in Afrika macha?“

Darauf konnte Elmar nur sagen, dass er das von den Türken auch gehört habe. Kollegen von ihm waren dort. Aber sie wollten nicht genannt werden. Wilfried deklamierte dann auch noch: „Es schdehd in der Bibl bei Mose, oda da Levidikus: wenn a Fremdling bei eich wohnd in eirem Land, den solld ihr ned bdrügga. Er soll bei eich wohna wie a Einheimischr undr eich, ond du sollschd ihn lieba wie di selbsd; noh ihr seid au Fremdling gwesa in Ägybdenländle. I bin der Herr eir Godd. Ihr solld ned unrechd handeln im Gerichd, mid der Elle, mid Gewichd, mid Maß. Rechde Waag, rechdes Gewichd, rechdr Scheffl ond rechdes Maß solla bei eich sein; i bin der Herr, eir Godd, der eich aus Ägybdenländle gführd had, dess ihr älle mai Sadzunga ond älle mai Rechde halded ond dud, i bin der Herr.“

Sag mal Wilfried, willst du mich bekehren?“, fragte Elmar.

Ha noi, mir is des bloß eigfalla, weil du ja auch für die Fremde immer eitrittst und in der Hinsicht scho a rechter Kerle bischt.“

Okay, aber ich spreche trotzdem nicht auf eurer Versamm-lung. Sonst stellt man mich noch in die Ecke der Pietisten. Und jede Farbe, die man mir zusätzlich anhängen will, ist mir eine zu viel. Ich will zwar nicht farblos sein, aber ich glaube, es ist besser, neutral zu sein, und Glaube ist meines Erachtens Privatsache. Ich habe nichts gegen die Pietisten. Es ist immer gut, wenn Leute einen Glauben haben, der ihr Leben positiv beeinflusst. Und noch zum Rassismus: Es gibt einen Prof. Dr. Borwin Bandelow, der ist Psychiater und Neurologe, Psychologe und Psycho-therapeut. Der Angstforscher erklärte mit evolutionsbiolo-gischen Erkenntnissen, woher die Angst vor dem Fremden kommt: Aus der Steinzeit, von der Organisation der Menschen in Stämmen. Die Angst half den Urzeitbewohnern beim Überleben. Den Teil des Hirns, in dem diese archaischen Muster abgespeichert sind, bezeichnete er als Angstgehirn. Dieses Angstgehirn habe keinen Hochschulabschluss. Wenn das Angst-hirn die Oberhand gewönne, so Bandelow, dann passieren Dinge wie derzeit in Deutschland. Sein Tipp: Reisen, um die Angst vor den Fremden zu verlieren. Soll heißen: Unser Gehirn ist lernfähig, es kann umprogrammiert werden.“ Elmar fragte Wilfried: „Aber wenn ich dich schon hier treffe, was kannst du mir über Dirk Dietmann erzählen?“

Willsch mi aushorcha? Abr i kann dir da ned vil erzähla. Der war Zaharzd ond des hedd ihm ned gfalla, glab i, noh hedd er umgesaddeld ond hedd die andeern Zahärzde berada wie sie mehr Geld macha könna. Und anscheinend beräd er sie jedzd wie sie ihr Geld verschdegga könna. Abr es isch bei ihm so a Geldvermehra wie damals beim Herrn Jesus mid d Brodbrogga.“

Elmar musste lachen und freute sich über die Offenheit und Nähe zu diesem ehemaligen Schulkameraden.

Wenn d jedzschd nemma Journalischd bischd, wirschd noh mid ihm zsamma schaffa? Willschd au a baar Brogga abgriega?“

Wilfried, ich bin Rentner, und ich bin schwerbeschädigt. Seit dem Überfall in Afrika kann ich nicht mehr lange und schon gar nicht mehr schnell laufen. Mein Gehör ist eingeschränkt und ebenso meine Sehfähigkeit.“ So viele Handicaps hatte er bisher noch niemanden, außer Lene, seiner Frau, eingestanden. Aber er wusste, Wilfried würde das richtig verstehen und nicht als Mitleidhaschen interpretieren. „Weißt du, ich war ja selber schuld und ich bin froh, dass mein Mitarbeiter nichts abbekommen hat. Warum mussten wir auch in das Dorf fahren, vor dem mich alle gewarnt hatten, in das Dorf, in das in den letzten Tagen die Aufständischen einmarschiert waren. Angeb-lich hatten die Regierungstruppen die Aufständischen schon vertrieben. Du weißt, dass ich immer mehr Sympathie für Rebellen hatte. Also wollte ich sehen, wie die Regierungs-truppen gewütet hatten. Aber so weit kamen wir nicht. Wir fuhren auf irgendeine Mine auf. Ich flog mit dem Jeep in die Luft und hielt mich krampfhaft am Überrollbügel fest. Und dann überschlug sich der Jeep in der Luft. Ich fand mich dann in irgendeinem Fahrzeug wieder. Und Wilfried, als sie mich im Flugzeug nach Alemannia geflogen haben und ich zwischen-durch trotz Schmerzmittel wach geworden bin, da habe ich auch darum gebetet, weiterleben zu können und einigermaßen alles zu überstehen.“

Des glaub i dir ond i find´s doll, dass du mir des so offa gseid hoschd. I denk, der Heiland hedd des gehörd.“

So mag es sein und jetzt hören wir auf mit der Vergangenheitsbewältigung“, beendete Elmar das Gespräch.

Sie tranken ihren Kaffee aus und bezahlten bei der sehr freundlichen Bedienung. Wilfried ließ sich an diesem Tag nicht einladen. Wilfried begleitete Elmar noch zum Zug, und da sie noch eine Weile Zeit bis zur Abfahrt hatten, fragte Elmar ihn nach alten Bekannten. Aber Wilfried kannte auch kaum noch jemand. „Dr Weingärdnr, an den erinnerschd du di doch noch, der des Bierle arg mag, der ischd inzwische gschieda. Na ja ond noh warschd du ja meh mid d andern zsamma, die ned so große Kirchgängr wared. Einige sind wegzoga, manche scho lang. Andere hend sich häuslich niederglassa wie des hald äwweil so is.“

Elmar machte Wilfried noch auf eine Anzeige in der Stuttgarter Zeitung aufmerksam. „Frühlingserwachen in Bad Urach erleben im Biosphärenhotel Vier Jahreszeiten.“

Na ja“, meinte Wilfried: „Die werda´s nödig haba.“

Also erfuhr Elmar nichts Neues.

Inzwischen war der Tag schattig geworden. Er hatte seine ein-schmeichelnde Wärme verloren. So fuhr Elmar mit dem Zug, von dem angeblich Cem Özdemir mal behauptet hat, dass er, Cem Özdemir, persönlich dafür gesorgt hätte, dass dies Zügle wieder fahren würde, zurück nach Metzingen. Vielleicht war es so, er erinnerte sich, eine Zeit lang mit dem Bus von Metzingen nach Urach unterwegs gewesen zu sein. Wahrscheinlich ist damals tatsächlich der Zug nicht mehr gefahren. Von Metzingen aus konnte er mit dem Regionalexpress weiterfahren.

Den Bericht über die Eröffnung schrieb er im Zug und sandte ihn an die Redaktion in Reutlingen. Da er Zeit hatte überlegte er, dass ihn die Gelassenheit von Wilfried beeindruckte. Ob das mit dessen Glaube zu tun hatte?

Elmar erinnerte sich, dass er in Bad Urach, das damals noch kein Bad war, italienische, spanische, griechische und türkische Freunde hatte. Auch eine Kroatin zählte zu seinen Bekannten. Die Familie Özdemir kannte Elmar nicht. Garner liebte das multikulturelle Flair. Ob die ehemaligen Freunde sich alle inzwischen integriert hatten? Irgendwann integrieren sich alle. Die evangelischen Franzosen nach 200 Jahren.

In Stuttgart fuhr er mit der Straßenbahn zu seinem Häuschen in einem der schönsten Stadtteile Stuttgarts. Dort holte er sich den restlichen Rinderbraten vom Vortag aus dem Kühlschrank, schüttete kräftig Ketchup drauf, garnierte das Ganze mit italienischen Gewürzen und legte dick Käsescheiben obenauf, bevor er das Ganze in der Mikrowelle warm machte und genüsslich verzehrte.

Als Lene, seine Frau, nach Hause kam, erzählte er ihr von dem seltsamen Auftrag seines Redaktionsleiters. Wieso das Blättle von einer Eröffnung einer Driving Range Hall auf der Schwäbischen Alb berichten wollte, war für Elmar nicht ganz schlüssig. Auch die überraschende Begegnung passte nicht in sein Weltbild.

Auch Lene hielt das für eine arrangierte Sache. Sie meinte: „Zu dem Treffen mit Dirk kannst du ja gehen und mal sehen, was er von dir will. Wahrscheinlich bietet er dir einen Job an, bei dem vor allem er davon profitiert. Aber du sitzt dann wenigstens nicht daheim und wartest auf mein Heimkommen.“

Na ja, so ist es auch nicht. Einen Teil der Hausarbeit erledige ja ich. Häufig spiele ich ja mit den Enkeln oder fahre unseren Kleinsten im Kinderwagen spazieren.“

Lene war oftmals direkt und Elmar danach verschnupft und sie nahm ihn gerne auf den Arm. Aber beide kriegten sich in der Regel wieder schnell ein. Elmar liebte seine Frau immer noch, und wenn er sie anschaute und ihr ovales ebenmäßiges Gesicht betrachtete, dann spürte er einen leichten Schauer. Aus den grünbraunen Augen strahlte Wärme und sie wirkte oftmals deeskalierend, wenn sich eine Situation verschärft hatte. Wenn die Lippen ein Lächeln zeigten, was häufig der Fall war, dann flammte seine Liebe immer wieder neu auf. Lene wurde jünger geschätzt als sie war, und Elmar hielt sie sowieso immer noch für fünfundzwanzig. Nur eben etwas reifer und vor allem klüger.

Nun, untätig sein, heißt nicht unnütz sein. Unnütz sein, heißt nicht wertlos sein. Unfähig sein, heißt nicht unnütz sein. Wilfried würde sagen: Wir alle bekommen unseren Wert schon dadurch, dass der Schöpfergott uns gewollt und gemacht hat.

Drei

Aus Kohle wird Vermögen

Das Gespräch mit Dirk Dietmann fand eine Woche später in Stuttgart im Café des Schlossgartenhotels in der Nähe des Bahnhofs statt. Obwohl Dietmann tatsächlich mit einem Lamborghini kam, den er ihm nach der Unterhaltung in der Tiefgarage zeigte, wohin sie dann noch gingen, war Elmar nicht besonders von dem Angebot angetan. Der Lamborghini gefiel ihm schon, aber er war sich nicht sicher, ob er das Geschäft für sehr reell hielt. Aber grundsätzlich war er bereit, ein oder zwei Werbeclips mit Freunden zu produzieren. Aber dazu es kam nie.

Während der Besichtigung des Lamborghini fragte ihn Dietmann: „Was weißt du über die Einfuhr von Rohdiamanten in die Europäische Union?“

Gar nichts“, antwortete Elmar. „Warum? Was hast du mit Diamanten zu tun?“

Sie steigen fast ständig an Wert. Das bedeutet, dass sie als Sicherheit für Einlagen eine gute Möglichkeit sind. Ich habe einige davon in einem Banksafe. Also falls du bei mir einsteigst, solltest du wissen: Rohdiamanten sind nicht sortierte Diamanten, unbearbeitet, nur gesägt, gespalten oder rau geschliffen I-Position: 7102 10, Industriediamanten, unbearbeitet, nur gesägt, gespalten oder rau geschliffen HS-Position: 7102 21, oder andere Diamanten, unbearbeitet, nur gesägt, gespalten oder rau geschliffen HS-Position: 7102 31“

Das hört sich ja an, als würdest du mir Unterricht geben über Rohdiamanten“, unterbrach Elmar.

Genau das tue ich“, antwortete Dirk Dietmann. „Du musst wissen, dass die Einfuhr von Rohdiamanten grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn die Rohdiamanten von einem Zertifikat im Original begleitet werden, dessen Gültigkeit von einer zuständigen Behörde eines Teilnehmerstaates bestätigt wurde. Weiter ist es erforderlich, dass die Rohdiamanten sich in einem versiegelten Behältnis befinden, dessen Versiegelung unverletzt ist und das Zertifikat die Sendung, zu der es gehört, eindeutig ausweist. Warum ich dir das deklamiere? Damit du auf jeden Fall Bescheid weißt, also Mitwisser bist. Ich habe eine Quelle, die mich mit Rohdiamanten beliefert.“

Hör mal, davon will ich gar nichts wissen, ich bin mir ja noch gar nicht sicher, ob ich bei der Vermögensberatung einsteige“, unterbrach ihn Elmar.