Republik am See – Leseprobe

I. Jubiläum

Schleichend aber stetig übertrug sich Manfreds Unruhe auf die Anderen. Sie konnten nichts dagegen tun, denn Manfred, Fredi oder auch Sixty Six genannt, war der Tonangebende. Obgleich er kein Angeber war, sehr wohl aber Tonangeber.

Er stimmte auch nicht an, denn dafür war der Hofkapellmeister zuständig.

Es hieß vielmehr, dass er Ideen hatte, die er wörtlich umsetzte, also damit nicht hinter dem Berg hielt. Die Anderen hatten entweder keine solchen Ideen wie er oder sie trauten sich nicht, ihre eigenen Ideen wörtlich umzusetzen und hielten deshalb damit hinter dem Berg. Meist, um nicht aufzufallen oder verspottet zu werden.

Sixty Six-Fredi hingegen machte es nichts aus, verspottet zu werden. Er sagte dann in entwaffnender Angrifflust: Wisst ihr was Besseres?, wartete auch keine Entgegnung ab, sondern hängte in einem Atemzug dran: Na also.

Es handelte sich auch nicht um Angrifflust im Sinn einer boshaften Attacke oder einer persönlichen Verletzungsabsicht. Nein, er hatte eben Ideen und wusste es.

Deshalb war er schließlich der Tonangeber geworden. Mit Recht. Und die Anderen verspotteten ihn schon lange nicht mehr, sondern fragten ihn immer wieder, ob er wüsste, was man tun könnte.

Die Anderen, das waren der Herr Hotelier, der Herr Pastor, auch Reverend genannt, der Herr Justiziar, Madame Pompadurundmoll, der Herr Bürgermeister, der Herr Hofkapellmeister und die Frau Croupier. Sie alle rechneten sich zum inneren Führungszirkel.

Sixty Six starrte besorgt zum westlichen Himmel und kratzte sich den Haarkranz. Morgenrot – Schönwettertod …

Der Herr Pastor wusste es besser. Aus seiner seelsorgerlichen Berufung heraus. Fredi, das ist kein Morgenrot, sondern der Rest des Abendrots von gestern. Und Abendrot bedeutet schönes Wetter. Wenigstens für den heutigen Tag. Und länger brauchen wir es vorläufig nicht. Höchstens noch für morgen. Nachzulesen im Codex von Ninive, Kapitel 34, Vers 167.

Fredi summte sich kurz ein und sang dann leise vor sich hin. Abendrohot, Abendrohot, leuchtest mir – den frühen Tohod …

Der Herr Hotelier hatte wenig Geduld. Das hing mit seinem Beruf zusammen. Mensch Fredi, hör endlich auf! Es wird ein schöner Tag heute. Ist es nicht dein Ehrentag? Und wenn es nicht schön wird, das Wetter, meine ich, dann gehen wir eben rein. Ist mein Haus nicht groß genug?

Das war es in der Tat, das Hofbräuhaus. Erdgeschossig bot es Platz für fünf mal drei Sitzgarnituren nebeneinander, und die Galerie im ersten Stock rundum war mit insgesamt zwölf Garnituren nicht weniger gut bestückt. Summa summarum fanden im gesamten Etablissement daher rund 270 Personen Platz. Mit genügend Ellbogenfreiheit, wohlgemerkt.

Der Herr Hofkapellmeister merkte an, er würde im Notfall auch alleine spielen. So könnte man auf der Bühne ebenfalls noch freie Kapazitäten schaffen. Das wäre zwar schade, weil er den berühmten Teufelsgeigenstemmer und Stimmwunder Maccolm Ex für den Abend engagiert hätte, aber dann halt unumgänglich. Madame Pompadurundmoll würde man trotz ihrer Leibesfülle für ihre Gesangsdarbietungen schon irgendwie unterbringen.

Das kommt überhaupt nicht infrage, Hofkapellmeister. Gerade auf Maccolm freue ich mich besonders. Oder weißt du etwas Besseres? Na also.

Der Herr Hofkapellmeister schwieg. Es war Fredis Ehrentag. Da gab es keine Einwendungen.

Man hätte nun glauben können, der Ehrentag sei Fredis 66. Geburtstag. Ein Denker jedoch musste diese Vermutung sofort zurückweisen, weil Fredi nämlich erst 62 war und schon immer Sixty Six-Fredi hieß. Das kam hauptsächlich von seiner Leidenschaft für das Kartenspiel 66 und zum anderen von seiner Vorliebe für Amerikanisches seit dem amerikanischen Bürgerkrieg im Allgemeinen und der amerikanischen Besatzungszeit im Besonderen, während der er groß geworden war. Er sprach also nicht von 66, wenn er zum Kartenspiel rief, sondern sagte: Los, spielen wir einen Sixty Six.

Der Ehrentag war der 30. Jahrestag seiner Verrentung. Vorher war Fredi Stangeneislieferant für kleine Landbrauereien gewesen, mit der fortschreitenden Verbreitung von elektrischen Kühlaggregaten am Tag seines 32. Lebensjahres aber wegen permanenter und nicht heilbarer Gleichgewichtsstörungen zum Frührentner avanciert. Medizinisch heiße sein Leiden aequatorial-vertikale Dyscerebritis, was keiner zu bezweifeln wagte, nicht einmal der alte Doc, der zwar noch nicht zum inneren Führungszirkel gehörte, für den Eintritt des eigenen Ruhestandes und der damit verbundenen Auflassung seiner Praxis in zwei Jahren den Antrag aber bereits gestellt hatte.

Fredi seufzte tief auf. Organisatorisch hatte er alles im Griff, denn er war ein geborenes Organisationstalent.

Aber das Wetter! Das Wetter war die einzige Unwägbarkeit. Wenn es nur bis zum Eintreffen der Gäste aus nah und fern hielte, dann wäre doch schon einiges gewonnen. Zur Not könnte man den Gartenbetrieb mittels Schirmen aufrecht erhalten. Kalt war es ja nicht.

Unberechenbare Zink- und Jodverbindungen in der Atmosphäre, so wusste er aus der Wissenschaft, deren Ursachen, beziehungsweise Verursacher um nichts zu ermitteln waren, beeinflussten seit Jahren die Niederschläge in Mitteleuropa. Richtige Verschwörungstheorien rankten sich mittlerweile darum.

Fredi hielt davon nichts, denn er war nebenher auch klug. Aber die Niederschläge und insbesondere deren unkalkulierbare Mengen waren Fakten, an denen man nicht vorbeikam. Auch nicht am Tag eines Jubiläums.

Was bedachte der Herr Hotelier? Sein Haus?

Wenn es schüttete, was der Himmel hinter seinen Schleusen vorrätig hielt, wäre auch sein Haus wie alle anderen Häuser hier dem Element preisgegeben. Auf jeden Fall das Erdgeschoss. Aber man konnte doch die Gäste nicht alle auf die Galerie hinaufschicken. Schon allein aus statischen Gründen nicht.

Als es auf Mittag ging, brauchte Fredi eine Kurzzeitberuhigungstherapie, die Hochamtstherapie. Den Anderen erging es ähnlich, denn sie litten jetzt heftig mit ihm.

Also kommt, auch mich dürstet. So pflegte der Herr Pastor jede Therapie zu segnen, sei es die Frühmesse-Therapie, die Hochamts-Therapie, die Vesper-Therapie oder die Complet-Therapie.

Der Herr Hotelier war heute besonders bemüht um die Wirkung der Therapie und verordnete eigenverantwortlich jedem zum golden aufgeschäumten Therapieelixier das, was zwischen ausgestrecktem Daumen und abgewinkeltem Zeigefinger Platz fand. Der Doc würde ihm dafür Anerkennung zollen. Ihm oblagen darüber hinaus Aufgaben und Verantwortung des Messdieners.

Kommet herzu, es ist alles bereit!

Sie traten ein in den Garten des Hofbräuhauses und ließen sich nieder. Der Herr Pastor legte die Fingerspitzen über der ansehnlichen Wölbung seines Leibes aneinander. Gesegnet sei der Kelch und was in ihm ist.

Möge die Therapie reichlich Früchte tragen, Amen.

Der Himmel zeigte sich wohlwollend. Alle drei Stunden ein Wetterwechsel, das sei überliefert, brummte Fredi beinahe unhörbar vor sich hin.

Bisher allerdings war kein Wölkchen am Firmament zu sehen. Die Wirkungen der Zink-Jodverbindungen in der Atmosphäre schienen auszubleiben. Vorläufig, dachte Sixty Six-Fredi, denn er war zudem ein Skeptiker aus Überzeugung.

Doch ein wenig freute er sich. Aus Lebenserfahrung. Denn wenngleich die Chancen nur Fifty-Fifty standen, so hingen sie doch zu Fifty auf der Sixty Six-Seite.

Los, spielen wir einen Sixty Six!

Jetzt freuten sich die Anderen. Ein Sixty Six mit Fredi in Verbindung mit einer der routinemäßigen Therapien war Entspannung pur, mehr noch, das höchste Vergnügen. Da wurden die Karten auf den Tisch geschlagen, dass Gäste, die mit den Gepflogenheiten nicht vertraut waren, bis in die Knochen erschraken, wurde gelacht, geschimpft, wurden Wenn-Dann-Hätte-Wäre-Hypothesen beinahe strategisch im konjunktivistischen Präteritum durchgedacht, wurden Schienbeine unter dem Tisch traktiert, krankhaft anmutende Grimassen geschnitten und Augäpfel gerollt, wieselflink die schwarzen Täfelchen geputzt und neu bekreidet, Münzen in die Schälchen geschmissen und am Ende das Geld zu gleichen Teilen an die Spieler zurück gegeben. So kam es vor, dass auch der Verlierer und Entrechtete hochzufrieden und mit wieder hergestellter Ehre die Runde verließ.

Madame Croupier waltete freudig ihres Amtes, mischte, verteilte die Karten und spielte selbst mit, denn sie war eine ausgezeichnete Kartenspielerin. Sogar der Himmel, zu dem Fredi hin und wieder stumm emporsah, nicht um Spielglück, sondern um Beständigkeit bittend, lachte mit. Nicht aus vollem Hals wie die Kartler, denn den Himmel hatte noch niemand, selbst hier nicht, aus vollem Halse lachen sehen.

Einzig Madame Pompadurundmoll zog sich zurück, und man hörte sie aus der schmalen Tiefe des angrenzenden Wäldchens ihre Tonleiter- und Koloraturübungen für das bevorstehende Fest tremolieren. Doch das störte niemanden, denn man war nicht nur kunstbeflissen, sondern auch tolerant. Hauptsache, man kriegte keine Schwierigkeiten wegen Jagdfrevels, und sie hörte irgendwann wieder auf.

Sixty Six und die Elixiere taten ihre Wirkung, sodass sich der innere Führungszirkel endlich beruhigt zur Mittagsruhe begeben konnte. Sogar Fredi durfte zwei unbeschwerte Stunden genießen, denn um drei Uhr nachmittags waren noch immer keine Anzeichen von Zink-Jod-Verbindungen am ebenfalls träge gewordenen Himmel zu erkennen gewesen. Bevor er hinwegdämmerte, stellte er das Radio auf minimale Lautstärke. Sommerliche Weisen, mal dezent foxig, mal baladesk, begleiteten ihn hinüber.

… und jetzt noch ein Blick auf die Wetterkarte: Fortdauer der beständigen Hochdrucklage mit Temperaturen um die 28 Grad, nachts auf 22 Grad sinkend … die weiteren Aussichten: Keine wesentliche Änderung … Achtung Autofahrer an der Autobahnausfahrt Niederndorfer See, beidseitig bilden sich Stauungen durch abfahrende Fahrzeuge!

Fredi schrak aus dem Halbschlaf. Wetterkarte, Fortdauer, 28 Grad … Er räkelte sich wohlig auf der Liege und wollte sich umdrehen.

Halt da! Ausfahrt Niederndorfer See … Stauungen … Auf, hopp, es ist soweit, sie sind im Anrollen!

Er sprang auf und eilte zum Hofbräuhaus. Hektisches Gewusel herrschte dort, und er fing sich einen vorwurfsvollen Blick vom Herrn Hotelier ein.

Warum kommst du so spät? Los, pack mit an, du Schwarzseher. Alle Gartenmöbel her, die du auftreiben kannst. Die Anderen rennen schon, als ginge es um ihr Leben. Der Ochse ist fast gar, die Hähnchen bruzzeln, riechst du es nicht? Und jetzt pack mit an. Es ist schließlich d e i n Fest. Halt, besser, du stichst gleich den ersten Hekto an. Im Rundfunk geben sie es schon andauernd durch, die Ersten werden bald da sein. Und Durst haben.

Er hatte kaum ausgesprochen, als eine lange Autoschlange um die Waldspitze bog. Unter ohrenbetäubendem Gehupe aus Mehrfachhörnern, Stoßstange an Stoßstange, näherte sie sich. Aufgemöbelte schiffartige Fahrzeuge in knalligen Farben, Chevis mit Heckflossen, chromblitzende Buicks, knackige Mustangs, honorige Oldsmobiles, Caddys, Pontiacs, sogar ein Rolls, alle aus den Fünfzigern und Sechzigern. Andere neueren Datums wie hochrädrige Jeeps, Hummer und Pick-Ups, die meisten mit offenem Verdeck, blubberten mit ihren acht und zwölf Zylindern heran.

Fredis Herz begann wild zu pochen. Das war Musik für sein Gemüt! … get your kicks – on Route Sixty Six …, sprang ihm sogleich über die vom Hochamt noch spröden Lippen.

Er hetzte zum Schlagbaum und wuchtete ihn hoch. Die Musik aus den Schlachtschiffen überdudelte sich: Country & West, Hank Snow, Jim Reeves, Johnny Cash, Charly Pride, Hank Williams, Buck Owen, Bobby Bare, Wanda Jackson, Conny Francis; Rock´n Roll, Chuck Berry, Elvis, Fats Domino, Chubby Checker, Little Richard, Jerry Lee Lewis ließen ihm eine Gänsehaut nach der anderen auflaufen.

Hey Fredi, old motherfucker! Sixty Six oder was?

What the hell is going on, Fredi? Du hast zu wenig Pomade auf deinem Hirn!

Pomade, hey? Wohin denn? Siehst du nicht, dass ich Geheimrat geworden bin, alter Colt?

Sie stiegen aus, klopften ihm hart die Schultern durch, und die gealterten, um die Hüften recht rund gewordenen, noch wie vor Jahrzehnten grell geschminkten Miezen an ihrer Seite hüpften wider Erwarten recht beweglich in ihren Petticoats um ihn herum und wollten ihn mit Umarmungen und Küsschen schier erdrücken.

Fredi gingen die Augen über ob solch kumulativer, rührender Zuwendung. Ach Freunde, wie schön, great, yeah, ich freue mich so, dass ihr alle kommt, ich kann es euch gar nicht sagen … can´t tell it, yeah … Verstohlen wischte er sich eine Träne aus dem linken Auge.

Inzwischen war der gesamte innere Führungszirkel herbeigeeilt. Der Pastor segnete pauschal Herren- und Damenschaften und Material, der Herr Hofkappellmeister spielte einen Tusch nach dem anderen auf seinem Akkordeon, die Pompadurundmoll schmetterte, von Auto zu Auto tänzelnd, den jeweiligen Song mit, der Herr Justiziar prüfte wohlwollend die Kennzeichen auf die Gültigkeit der TÜV-Plakette, und endlich hielt der Herr Bürgermeister eine kurze Begrüßungsansprache. Diese ging unter in frenetischem Beifall, als sich ein MesserschmidtKabinenroller mit Breitreifen geschmeidig an der Autoschlange vorbeidrückte und bis vor das Hofbräuhaus fuhr.

Damned, der alte ME Zwosechszwo kommt auch, das ist ja nicht zu fassen! Hey, Zwosechszwo, hast du deine Rakete wieder auffrisiert, alte Schosseewanze?

Der Fahrer klappte das Kabinendach hoch und grinste breit. Natürlich, Mann! Jedes Jahr ein paar PS mehr. Jetzt macht er 160 Sachen.

Und drückt sich unter jeder Radarkontrolle durch, right? Mir haben die Cops erst gestern wieder 100 Bucks abgenommen. Kann dir nicht passieren, alter Panzerknacker.

Yeah, und die Trucks überhole ich auch – zwischen ihren Zwillingreifen, he, he, he… gotta some beer? Whisky? Let´s go on. Time is money!

Das Stichwort war gefallen. Man drängte an den Tresen des Hofbräuhauses. Der Herr Hotelier ließ die schäumenden Krüge und eisbestückten Whiskygläser über die Theke schlittern, wo sie von Händen, die nie einer Schaufel oder einem Schreibgerät zu nahe gekommen waren, aus ihrer schnurgeraden Ballistik gerissen und abgrundtiefen Kehlen zugeführt wurden.

Einem einzigartigen Maskenball entsprungen, saßen sie auf den Barhockern, mit Stetsons und Cowboystiefeln, teils sogar klingend gespornt, in wildledernen Fransenjacken, Lederhosen, geschnürt statt dem üblichen Reiß- oder Knopfverschluss, alberten und wärmten alte Coups auf: Gringo-Joe, der in jedem, der keinen Stetson trug, einen verdächtigen Mex sah; Dollar-Johnny, nach eigenen Angaben Falschgeldexperte des Federal Bureau of Investigation, kurz FBI; Pete the Knife, der Kunstmesserwerfer, der mit seinen Messern aber nicht nur warf; Polly Molly mit dem Blow-Job-Mund, die sogar im Gespräch eine kesse Lippe zu führen wusste; Bonny and Clyde im Original-Outfit, ersteigert für angeblich 40 Riesen; Doc Halliday mit der nie leer werdenden Whiskyflasche; Old Schwurhand, dem bei keinem seiner ungezählten Meineide je ein Finger verbrannt war; Ross von Western Cargo als Vertreter des gutsituiert-betrügerischen Gründerbürgertums; Rodeo-Jimmy, Spezialist für das Zureiten widerspenstiger Huren; Jack the Tripper mit einer Mondlandschaft von Gesicht; Rocky Zocky, der Kartenzauberer und größte Bluffer aller Zeiten; Nick the Horse, so genannt, weil er wieherte statt zu lachen und dabei schamlos seine riesigen gelben Zähne entblößte; Smokey der Kettenraucher, der sein Tages- beziehungsweise Nachtkontingent Zigaretten an einer durch die Filter gezogenen dünnen Schnur um den Hals trug, sie von dort zum Rauchen nicht abnahm, die Kippen am Ende einfach abstreifte und sofort Ersatz aufzog, während er die nächste schmauchte. Dazu weitere Damen mit und ohne Namen aus dem horizontalen Farbtopf, Suzie Smoothie, Nuttribit, Irma la Douce, Linda Bizarr, Carla Domina, Pia die Nonne. Offiziell Beschäftigte der nostalgischen Herren, im Innenverhältnis als persönliches Eigentum derselben ausgewiesen.

In der zweiten Reihe lümmelten die minderen Zaungäste, die zwar der ersten Riege äußerlich in nichts nachstanden, aber nie eine nennenswerte Karriere gemacht hatten.

Das dritte Glied bestand aus dem Hofstaat des ersten, harmlose Lakaien und Schranzen im Dienstbotenrang.

Hier drückte sich auch das Fußvolk von Niederndorf herum, junge, absonderliche Spunde, die mit ihren geölten Igelfrisuren und Strichbärtchen bei erster Betrachtung so gar nicht in das Bild passen wollten.

Noch grauer waren sie geworden und kahlköpfig wie Fredi selbst seit dem letzten größeren Treffen, die Kämpen, und ledrig in den vom ausschweifenden Leben gezeichneten Gesichtszügen.

Die Honoratioren ließen sich jetzt noch nicht sehen. Fredi wusste aus vergleichbaren Anlässen, dass sich diese zunächst zierten, die Staffel der einfliegenden Heuschrecken mieden und sich erst zu vorgerückter Stunde der unvermeidlichen Verbrüderung beugten. Dann aber gewaltig. Er sah es ihnen nach, weil er von einer klassenlosen Gesellschaft nicht viel hielt.

Flankiert vom Herrn Pastor und dem Justiziar ging er strahlend von Einem zum Anderen, schüttelte pausenlos mehrere Hände gleichzeitig, wurde beglückwünscht und auf breite Schultern gehoben. Frozzeleien gegen Geistlichkeit und die Jurisdiktion gehörten zum Ritual.

Hey, Reverend, weißt du überhaupt, mit welcher Berühmtheit du dich schmückst? Fredi kennen die Schlittenhunde in Alaska so gut wie die Tequila-Panscher in New Mexiko!

Schaut euch den alten Judge an, der sieht aus, als wollte er uns alle gleich einjailen, ha, ha, ha …

Fredi, wird dir nicht Angst und Bange in dieser Gesellschaft von Heiligkeit, Moral und Recht?