Urs Käser: Luca Vandelli/Leseprobe

Donnerstag, 13. Februar

Albert Wagner ruhe in Frieden. Amen.“ Die Pfarrerin faltete ihre Hände und senkte ihren Kopf vor dem Grab. Dann fasste sie vorsichtig den Stiel einer der auf einer flachen Schale bereitliegenden roten Rosen, liess diese sorgsam auf den Sarg hinuntergleiten und trat dann beiseite.

Die in mehreren Halbkreisen um die Grabstätte stehende Trauergesellschaft wachte jetzt aus ihrer Lethargie auf. Ein allgemeines Murmeln ging los, und Bewegung kam in die Menge. Die nächsten Angehörigen des Verstorbenen reihten sich in eine kurze Kolonne ein, traten dann einzeln ans offene Grab, verharrten einen kurzen Moment und liessen dann ebenfalls eine Rose hinunterfallen, die einen ganz scheu und langsam, die anderen mehr forsch oder beinahe achtlos. Auch die weiter entfernt Verwandten und die übrigen Trauergäste reihten sich jetzt in die Kolonne ein und ehrten das Andenken an Albert Wagner mit einem stillen Gebet oder einer bloss hingeworfenen Geste.

Die drei Kinder des Verstorbenen, Johannes, Monika und Thomas, waren unterdessen eine Gräberreihe weiter gegangen, wo ihre Mutter seit drei Jahren ruhte, und hatten vor ihrer Grabstätte kurz Andacht gehalten. Jetzt kamen sie zurück und gaben der Gesellschaft das Zeichen zum Aufbruch. Man begab sich, unterwegs plaudernd und vereinzelt bereits wieder lachend, zum Restaurant Landhof, wo der grosse Saal für das Leichenmahl reserviert war.

Mittwoch, 19. Februar

Der erste Anruf kam heute ungewöhnlich früh und riss Polizeikorporal Theo Graf aus seinem morgendlichen Halbschlaf. Unwillig schaute er auf seine Armbanduhr, sie zeigte zehn vor sechs.

Das ist aber überhaupt nicht normal, dachte er.

In der Regel ging es erst nach halb sieben so richtig los. Meist wurde er dann zu einem Verkehrsunfall gerufen, ab und zu kam auch eine Vermisstenanzeige oder ein Diebstahl herein. Aber jetzt? Theo Graf seufzte, murmelte etwas Unverständliches, liess absichtlich einige Sekunden verstreichen und nahm schliesslich den Hörer ab.

Polizeiposten Kleinhüningen, Graf … Guten Morgen Herr Meier. … Aha, vom Sicherheitsdienst Securitas. … So, Ihr Hund spielt ganz verrückt vor einem Abfallcontainer? … Haben Sie denn hineingesehen? … Aha, nichts Besonderes, nur Abfallsäcke? Nun denn, wenn Sie meinen, dann komme ich eben nachschauen. Also vor dem roten Bürogebäude an der Hochbergerstrasse, in der Nähe des Rheinhafens. Ja, ja, ich weiss genau, wo das ist. In spätestens zehn Minuten bin ich dort, bitte warten Sie auf mich. Auf Wiederhören.“

Theo Graf seufzte. Ein Hund, der neben einem Abfallcontainer bellt wie gestört, und das zu nachtschlafender Stunde. Das soll ein Fall für die Polizei sein? Ein Fehlalarm wahrscheinlich! Aber wenn ein Securitas-Mann anruft, muss ich wohl oder übel ausrücken. Theo schaltete das Telefon des Polizeipostens auf sein Handy um, nahm die Bereitschaftstasche aus dem Schrank, zog seine Winterjacke über und verliess, nach einem letzten prüfenden Blick zurück, den Posten. Das an der Wand neben der Tür hängende Thermometer zeigte minus vier Grad, und aus dem noch dunklen, bleigrauen Himmel fielen einzelne kleine Schneeflocken.

Scheisskälte“, murmelte Theo vor sich hin, zog Mütze und Handschuhe über und bestieg sein Dienstfahrrad. Wenigstens war die Strasse nicht vereist, und Theo trat kräftig in die Pedale, um warm zu werden.

Vor dem roten Bürogebäude wartete ein älterer Mann in Securitas-Uniform, der seinen Schäferhund an der kurzen Leine hielt. Er nahm sich nicht einmal Zeit für eine Begrüssung und legte sofort los: „Sehen Sie, Herr Polizist, ich war auf meiner letzten Runde in dieser Nacht und freute mich schon auf mein warmes Bett. Da fängt doch meine brave Wilma plötzlich an, diesen Abfallcontainer anzukläffen, und will sich nicht mehr beruhigen. So etwas macht sie sonst nie. Also ich bin sicher, da stimmt etwas nicht.“

Dann sehen wir eben mal nach“, sagte der Polizist und klappte den Deckel des beinahe mannshohen, grünen, auf vier Rädern stehenden Containers auf.

Der Hund begann wieder, wie verrückt zu bellen, und sein Herr musste ihn straff zurückhalten. Der Container war beinahe bis zum Rand gefüllt mit den offiziellen blauen Basler Kehrichtsäcken in verschiedenen Grössen. Theo Graf begann, vorsichtig die oberen Säcke von aussen zu befühlen. Ganz rechts lag, unter zwei anderen kleineren versteckt, ein besonders grosser und unförmiger Sack. Als er ihn betastete, zuckte er plötzlich wie elektrisiert zurück. „Nein…“, entfuhr es ihm, „da stimmt definitiv etwas nicht.“

Ruhe jetzt, Wilma“, befahl der Securitas-Mann und zog sich einige Schritte zurück.

Theo Graf riss den Sack ein kleines Stück weit auf, und wie in Zeitlupe kam jetzt eine wachsweisse, steife Hand zum Vorschein.

Oh je, eine Leiche“, stöhnte der Polizist, liess den Deckel fallen, zückte sein Handy und tippte eine Nummer ein.

Guten Morgen, Dominik“, sagte er mit erregter Stimme, „du bist es also, der heute Dienst hat. Hör mal zu, kannst du möglichst rasch zu diesem roten Bürogebäude an der Hochbergerstrasse kommen? Eine ziemlich frische Leiche erwartet dich dort. … Ja, natürlich, den Spurensicherungsdienst lasse ich auch gleich kommen. Also, bis dann!“

Theo wandte sich wieder dem Securitas-Mann zu. „Geben Sie mir bitte noch Ihren Namen und eine Telefonnummer, damit ich Sie falls nötig erreichen kann. Dann können Sie von mir aus schlafen gehen.“

Die zehn Minuten bis zum Eintreffen des Arztes kamen Theo unglaublich lang vor. Er trat von einem Bein aufs andere und liess immer wieder die Arme kreisen, aber die feuchte Kälte kroch erbarmungslos unter seine Kleider und liess ihn erschaudern. Endlich kam der Dienstwagen des Kantonsspitals in Sicht. Er brauste mit mindestens sechzig Stundenkilometern heran, bog rasant ein und stoppte unmittelbar vor ihm. Dominik Auer, jung, schlank und gross gewachsen, stieg behände aus dem Wagen, eilte auf den Polizisten zu und gab ihm die Hand.

Morgen, morgen…“, sagte er, offensichtlich bestens gelaunt. „Wo ist denn das gute Stück?“

Theo brummte missmutig, ging voraus zum Container und öffnete erneut den Deckel.

Oh, das sieht übel aus“, kommentierte der Arzt, als die steife Hand vor ihm auftauchte. „Also fass mal mit an“, befahl er routiniert.

Gemeinsam hievten sie den riesigen Sack vorsichtig heraus, legten ihn auf den Boden und begannen, ihn behutsam auseinanderzureissen. Schliesslich lag da ein toter, aber noch vollständig bekleideter Mann vor ihnen. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, woran er gestorben sein könnte. Der Arzt drehte den Körper langsam auf die Seite.

Alles klar“, sagte er nach einer kurzen Inspektion, „der Mann wurde mit einem harten Gegenstand auf den Hinterkopf erschlagen.“

Steckt er wohl schon lange in diesem Sack?“

Vom ersten Augenschein her würde ich sagen, etwa einen Tag, aber die Pathologie wird das genauer bestimmen können.“

Wie brutal“, sagte Theo kopfschüttelnd, „man wollte die Leiche also einfach via Kehrichtabfuhr loswerden, und das hätte auch beinahe geklappt. Wenn nicht zufällig dieser Schäferhund angegeben hätte, wäre wohl bald der Abfuhrwagen gekommen, und der Mann wäre in der Kehrichtverbrennungsanlage …“

Sozusagen kremiert worden“, fuhr Dominik dazwischen, „ohne dass die Polizei je etwas von ihm erfahren hätte.“ Sein Lachen klang sehr trocken.

In diesem Moment kam ein Polizeiwagen angefahren, und drei Männer vom Spurensicherungsdienst stiegen aus. „Morgen die Herren“, brummte der eine, noch ziemlich verschlafen wirkend. „Ich heisse Stettler, und das sind meine Kollegen Handschin und Borer.“ Er blickte misstrauisch auf den Toten hinunter. „Haben Sie etwas verändert an der Leiche, etwas angefasst?“

Nur soviel, als nötig war, um den Mann aus diesem Container da herauszuhieven, ihn aus dem Sack zu befreien und die Todesursache provisorisch zu klären“, erwiderte der Arzt leicht gekränkt. „Der Mann wurde offensichtlich ermordet.“

Stettler hob die Augenbrauen. „Soso, im Container hat er gelegen? Na ja, hoffen wir, dass noch keine Spuren verwischt sind.“

Die Männer holten ihr Material aus dem Wagen, stellten mehrere Stehlampen auf und fotografierten zuerst ausgiebig die ganze Szenerie. Dann suchten sie die Umgebung rund um den Container minutiös nach Spuren ab. Schliesslich nahmen sie etliche Proben von der Kleidung und von der Körperoberfläche des Toten. Erst dann begannen sie, seine Kleider zu durchsuchen.

Überhaupt nichts zu finden“, knurrte Stettler missbilligend, „keine Börse, kein Ausweis, kein Handy, einfach nichts. Ein seltener Fall. Offensichtlich hat der Mörder alles mitlaufen lassen. Der Tote sollte anonym bleiben und, sozusagen, elegant entsorgt werden. Was meint denn der Arzt dazu?“

Dominik Auer zuckte bloss mit den Schultern. „Keine Ahnung. Der Mann dürfte um die vierzig sein und erscheint ziemlich ungepflegt. Er ist etwa seit einem Tag tot.“

Aha“, sagte Stettler plötzlich, „hier ist doch noch etwas.“ Er fasste in eine versteckte Innentasche in der Winterjacke des Toten, zog einen zerknitterten Zettel hervor und reichte ihn dem Polizisten. „Immerhin eine Mitteilung. Aber ob sie weiterhilft?“

Theo Graf las den von Hand und in ungelenken Blockbuchstaben geschriebenen Zettel laut vor: „Um 21 Uhr bei mir zuhause. Wichtig! Anna.“

Na so was“, murmelte Stettler, nahm den Zettel wieder an sich und versorgte ihn in einer Plastiktüte. „Aber das Ganze wird sich früher oder später wohl aufklären.“

Also“, warf jetzt Theo Graf ein und rieb sich die kalten Hände, „dann bin ich hier jetzt wohl überflüssig. Darf ich mich zurückziehen?“

Die Frage war rhetorisch gemeint, und es kam auch keine Antwort zurück.

Ich würde dich ja gerne im Auto mitnehmen, Theo“, spöttelte Dominik, „aber du bist ja mit dem Fahrrad da. Ich wünsche dir noch einen guten Tag. Und bis zum nächsten Mal!“

Hoffentlich kommt das nächste Mal nicht so bald“, brummte Theo, schwang sich auf sein Rad und machte sich auf den Rückweg zum gut geheizten Polizeiposten.

Wer war wohl der unbekannte Mann, überlegte er, während er grimmig in die Pedale trat. Warum wurde er umgebracht und warum gerade in diesem Container entsorgt? Würde man den Fall überhaupt je aufklären können? Ach was, sagte er sich frustriert, ich werde sowieso keine Möglichkeit haben, etwas zur Aufklärung des Mordes beizutragen. Aber so läuft es eben immer: Die Quartierpolizisten dürfen in der Kälte draussen die Knochenarbeit machen, und die Kommissare in ihren warmen Büros lösen den Fall und heimsen dann die Lorbeeren ein.

Angela Pelli hatte sich für den heutigen Sitzungstermin ganz gross herausgeputzt. Sie wusste, wie wichtig ein sehr gepflegtes Auftreten für eine Unternehmensberaterin war, und dass dies unter Umständen über die Vergabe eines Mandates entscheiden konnte. Unter ihrem hellgrauen Wintermantel aus Kamelhaar trug sie eine seidene rosafarbene Bluse, einen weinroten knielangen Jupe und ein modisch kurzes schwarzes Jäckchen. Ihre langen schlanken Beine steckten in schwarzen Strümpfen, und sie hatte trotz der eisigen Temperatur ihre roten High Heels angezogen. Die schwarzen Haare, ein Erbe ihrer italienischen Eltern, hatte sie hochgesteckt, sodass die grossen Perlenohrringe wunderbar zur Geltung kamen. Ihre vollen Lippen waren tief dunkelrot angemalt, die Augenpartie eher dezent mit Blautönen geschminkt.

Ja, dieses Mandat wollte Angela Pelli unbedingt gewinnen! Ein erfolgreicher Abschluss des Auftrages könnte ihren Namen mit einem Schlag in die obere Liga der Basler Unternehmensberatergilde katapultieren. Doch Angelas aufkommende Freude über ihre beruflichen Aussichten bekam sofort einen Dämpfer, wenn sie an die bevorstehende Arbeit dachte. Nein, es würde beileibe kein einfacher Auftrag werden. Wenn nur die Hälfte davon stimmte, was man sich hinter vorgehaltener Hand über die Lage der Firma erzählte, dann würde es harte Massnahmen brauchen. Und solche vorzuschlagen, dies hatte Angela in ihren bisherigen Mandaten immer zu vermeiden versucht. Aber jetzt, sagte sie sich energisch, jetzt musste es endlich aufwärts gehen mit der Karriere, sonst würde sie noch in zwanzig Jahren in diesem düsteren kleinen Büro hausen und sich mit schlecht bezahlten Aufträgen über Wasser halten müssen.

Selbstsicher stöckelte sie auf ihren hohen Absätzen durch die Gerbergasse. Vor der Hausnummer achtzehn strich sie ihren Mantel zurecht, prüfte im spiegelnden Schaufenster ein letztes Mal ihre Frisur und klingelte dann wie vereinbart punkt zehn Uhr, neben dem Schild mit der Aufschrift BalMed. Beinahe sofort erklang der Summer, sie stiess die Glastür auf, wandte sich zum Lift und fuhr in die zweite Etage.

Als sie in den Flur trat, öffnete sich rechterhand eine Tür, und es erschien eine eher kleine, schlanke Frau in den Fünfzigern, die ihr die Hand zum Gruss entgegenstreckte. „Guten Morgen, Sie müssen Frau Pelli sein.“

Ja, das bin ich.“

Der Händedruck fiel eine Spur zu kräftig aus.

Bettina Wagner, geborene Sarasin“, stellte sich die Gastgeberin vor. Sie trug eine schwarze Bluse, einen hellgrauen Jupe, flache schwarze Schuhe und war nur wenig geschminkt. Ihre halblangen blonden Haare waren zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden. „Bitte treten Sie ein, legen Sie den Mantel ab und nehmen Sie dort hinten im Sitzungszimmer Platz. Mein Mann Johannes wird auch gleich kommen. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“

Danke, gerne. Und ich möchte Ihnen noch zum Tod Ihres Schwiegervaters, Albert Wagner, mein herzliches Beileid aussprechen. Es ist ja noch nicht lange her. Kam der Todesfall denn überraschend?“

Ja, ziemlich unerwartet“, antwortete Bettina Wagner kühl und verschwand in einen Nebenraum.

Aha, es gibt hier keine Sekretärin, registrierte Angela Pelli für sich, die Geschäftsführerin muss sogar den Kaffee selber machen. Immerhin, die Geschäftsräume sehen gepflegt aus und sind edel möbliert.

Frau Pelli, willkommen! Ich bin Johannes Wagner.“ Der gross gewachsene, schlanke Mann, der ihr die Hand entgegenstreckte, war sehr gut gekleidet und frisiert. „Aha, Bettina bringt schon den Kaffee. Danke, für mich wie immer schwarz. Setzen wir uns doch wieder. Und bitte sehen Sie davon ab, mir zu Vaters Tod zu kondolieren. Danke.“

Johannes Wagner hatte eine Aktenmappe mitgebracht, nahm ein ziemlich dickes Dossier heraus und legte es vor seine Besucherin. „Ich schlage vor, wir gehen gleich in medias res, wenn Sie verstehen. Sie sind doch auch Juristin?“

Angela Pelli war einen Augenblick lang verunsichert. Nahm er sie nicht für voll? Sie blickte kurz in seine Augen. Nein, diese signalisierten nur eine harmlose Spielerei, und ihr Selbstvertrauen war sofort wieder da. „Leider nein. Ich habe Betriebswirtschaft studiert. Aber natürlich kenne ich mich in den wichtigsten juristischen Fragen auch aus.“

Selbstverständlich“, antwortete Wagner und fuhr fort, sie ungeniert von oben bis unten zu mustern.

Angela Pelli schenkte ihm ein kleines Lächeln. Offensicht-lich ist er ganz hingerissen von meiner Erscheinung, dachte sie amüsiert. Kein übler Anfang.

Also“, unterbrach jetzt Bettina Wagner das kleine Augenspiel und klopfte energisch auf das Dossier. „Dann stürzen wir uns doch gleich, wie Johannes es ausgedrückt hat, in medias res. Ich gehe davon aus, Frau Pelli, dass Sie diese, natürlich absolut vertraulichen Unterlagen zunächst in aller Ruhe studieren möchten, bevor wir über das weitere Vorgehen sprechen. Und damit keine Missverständnisse aufkommen, sage ich Ihnen gleich, dass wir Sie als Externe, das heisst, in einer ausschliesslich beratenden Rolle engagieren möchten. Das heisst, Sie werden uns Vorschläge unterbreiten, mit welchen Massnahmen wir unser Unternehmen, die BalMed, am besten in eine erfolgreiche Zukunft führen könnten. Die Umsetzung dieser Massnahmen hingegen wird dann allein unsere Sache sein. Selbstverständlich lassen wir Sie Einblick nehmen in alle Einzelheiten unseres Geschäftes, und Sie können mit allen Mitarbeitenden sprechen, sooft Sie dies für notwendig erachten.“

Oh lala, dachte Angela Pelli und musste ein Lachen verkneifen, die Dame versucht aber gleich tüchtig den Tarif durchzugeben! Offensichtlich hat sie panische Angst davor, dass ich mich zu stark einmischen könnte. Ob ihr Mann dies wohl auch so sieht? Jedenfalls hat er seiner Frau soeben einen überaus giftigen Blick zugeworfen.

Bitte entschuldigen Sie“, griff Johannes Wagner jetzt ein und blinzelte der Besucherin verschwörerisch zu, „meine Frau, und gleichzeitig Geschäftsführerin der BalMed, drückt sich manchmal etwas krass aus. Dies war in keiner Weise ein Misstrauensvotum gegen Ihre Person, liebe Frau Pelli. Sie wurden uns von namhafter Stelle wärmstens empfohlen, und wir, ich betone wir, setzen unser volles Vertrauen in Sie und Ihre Fähigkeiten. Und wir werden die von Ihnen empfohlenen Massnahmen zur … ehm … Sanierung von BalMed sehr ernst nehmen.“

Schliesslich kosten diese Empfehlungen Sie auch eine hübsche Stange Geld“, erwiderte Angela Pelli mit ihrem schönsten Lächeln.

Ihre anfängliche Unsicherheit war verschwunden, sie fühlte sich jetzt ganz entspannt und genoss das kleine Machtspiel zwischen den Eheleuten. Und sie würde bald herausfinden, was wirklich dahintersteckte. Hatte die Ehefrau vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht mit hübschen Frauen, die ihrem Mann den Kopf verdrehten? Nun, dieser Johannes Wagner sah tatsächlich blendend aus.

In der Tat“, bestätigte jetzt Bettina Wagner mit einem säuerlichen Lächeln, „Ihre Offerte ist nicht billig, liebe Frau Pelli. Deswegen erwarten wir von Ihnen einen überdurchschnittlichen Einsatz und hervorragende Ergebnisse.“

Ich werde mein Bestes tun“, erwiderte diese, „und die Akten so rasch wie möglich durcharbeiten. Sollen wir uns beispielsweise übermorgen, also freitags, um vierzehn Uhr wieder hier treffen?“

Einverstanden“, sagte die Geschäftsführerin, erhob sich und streckte der Besucherin demonstrativ die Hand zum Abschied hin. „Bis bald und viel Erfolg beim Aktenstudium.“

Johannes Wagner hingegen blieb sitzen, murmelte nur einen Gruss und sah fasziniert zu, wie Angela Pelli jetzt höchst elegant den Flur hinunter stöckelte.