Ein besonderes Stück Prosa – surreal und manchmal vogelwild
EGO oder Die Sonne lacht
Lilith, Rahab, Raphael. Es sind mystische Figuren, die sie jagen, verfolgen; ins Atelier, in Bilder springen, aus ihnen heraus. Dorothea Born ist Künstlerin, Malerin genau genommen, und gerade gefangen in einer Welt zwischen Realität und dem wahnhaften Rausch des Schaffens, des Schöpfens, der Erschöpfung. Und da ist Alexander, der immer an sich scheiternde Galerist. Mit ihm Martha, Hilde, Schwanich. Ausstellungen müssen eröffnet werden, Reden gehalten und Geschäfte erfolgreich sein. Ein realer Ort also. Doch auch hier jagen traumhafte Figuren, Hunde schlafen, erwachen, kläffen, zerren, beißen Alexander und der zurück. Realität verschwimmt mit Träumen und Mythen. Und wahrscheinlich ist eben das die Welt, in der Kunst entsteht. Man kann Backsteinwände ahnen, Leinwand fühlen und Terpentin riechen. Ein Blick hinter die Kulissen des Rausches und ein Blick aus dem Bild auf die Welt, auf mich und dich.
Die immerhin über 169 Seite umfassende und damit ausführliche Erzählung der in Leipzig lebenden studierten Germanistin und Autorin Lea Rohrmoser, soeben erschienen im EINBUCH Buch- und Literaturverlag Leipzig – oder ist es doch ein Roman, eine Geschichte oder gar eine Novelle, sofern die erzählte Erzählung erzählt ist – egal, diese Erzählung ist mit Sicherheit aber eines, sie ist besonders. Und zwar auf eine Weise besonders, dass sie sich sogar so ein bisschen dagegen verschließt, ja fast sogar wehrt, dass man über sie in einer rationalen Weise erzählt. Man sollte sie also, wenn man etwas über sie erfahren möchte, gelesen haben. Dann könnte man sich mit jemandem darüber austauschen. Allerdings auch da weniger über das Gelesene, also das, was in und mit der Geschichte und deren Protagonisten und Protagonistinnen, oder eigentlich der Protagonistin geschieht, als vielmehr darüber, was der Leser oder die Leserin dabei empfindet, wenngleich es natürlich eine Handlung gibt, eine sehr heftige sogar. Insofern ist es vielleicht weniger eine Erzählung, ein Roman, eine Geschichte oder gar eine Novelle, sondern ein Stück Musik.
Auf jeden Fall ist oder versucht es Kunst und ist ja auch genau dort zu Hause, erzählt davon. Denn folgt man der Protagonistin Dorothea Born, die wie erwähnt Malerin ist, in ihren Eingebungen, Gedanken, Erinnerungen und Ängsten, bekommt man eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie es ist, sein muss oder sein könnte, Künstlerin zu sein. Und vor allem damit leben zu müssen. Es ist nämlich keineswegs so, glaubt man, was man liest, dass das viel besungene und beredete Künstlerleben eine Abfolge schönster Ausschweifungen, unterbrochen nur von jeder Menge Tagesschlaf wäre. Eher nicht. Denn Künstler sind eben meist Künstler und nicht Handwerker oder gar Banker, weil sie Menschen sind, die sensibel also empfindsam und damit natürlich empfänglich, aber auch angreifbar und verletzlich sind. Und das eben gegen alles, selbst gegen die eigenen Werke oder Bilder, wie die Protagonistin weiß und spüren muss, aber eben auch darf. Kompliziert.
Es ist also nicht einfach, Künstler zu sein. Noch viel schwerer ist es, das nachzuempfinden. Fast unmöglich ist es, das dann auch noch anderen Menschen nahe zu bringen. Denn Vorsicht, man kann daran verzweifeln. Ob der Autorin Lea Rohrmoser das gelungen ist, darf man in „EGO oder Die Sonne lacht“ erlesen und für sich empfinden. Ob das überhaupt jemals ein Anliegen war, das weiß nur die Autorin selbst. Es ist und bleibt in jedem Fall ein besonderes Stück Prosa.
„EGO oder Die Sonne lacht“ erhalten Sie ab sofort für 15,40 € bei www.bücherfairkaufen.de oder im Buchhandel.
Honorarfreie Verwendung, Beleghinweis erbeten,
569 Wörter; 3710 Zeichen