Wenn die Bäume nicht mehr blühen
Die Geschichte einer Familie, der eine schleichende Katastrophe hilft, wieder zu sich zu finden
Noch wenige Wochen und es wird wieder Frühling sein, Kälte und Dunkelheit werden verschwinden und der Sonne Platz machen. Das ist selbstverständlich für uns, keine Nachricht wert und wir freuen uns darauf.
Doch für Familie Götz und all die Anderen in ihrer nicht so großen und nicht so bekannten Stadt irgendwo in Deutschland, wird das nicht Wirklichkeit, irgendwie zeigt sich die Sonne nicht, will die Trübnis nicht weichen – vor allem aber werden die Bäume nicht grün.
´Grün´ heißt darum auch der Debütroman von Nicole Weiligmann, einer jungen Münchner Autorin, die ursprünglich aus Rheine/Westfalen stammt, das durchaus auch die besagte Stadt im Buch sein könnte. Aber wie gesagt, es könnte jede andere dieser Städte irgendwo in Deutschland sein.
Es ist Marie, die Jüngste in der Familie Götz, die als Erste bemerkt, dass etwas nicht stimmt, dass die Welt nicht so ist, wie sie war. Marie schweigt und sie schweigt, weil auch etwas in der Familie nicht stimmt, weil die Eltern sich schon lange nichts mehr zu sagen haben, ihr Vater aus innerer Verzweiflung schreit und sie auch schlägt, manchmal, wenn er überhaupt nicht mehr weiß, was er tun und wie er reagieren soll. Doch sind da diese äußeren Umstände, ist da die Tatsache, dass mit der Natur in dieser Stadt etwas nicht stimmt. Das bleibt natürlich nicht verborgen, auch der Außenwelt nicht, und eskaliert. So wird ein Ring um das offenbar vergiftete oder infizierte Gebiet gezogen und niemand darf dort mehr raus. Bürgerkriegsähnliche Zustände beginnen zu herrschen, es kommt zu Plünderungen und man muss Angst um sein Leben haben. Doch der Familie Götz, zu der neben dem Vater und der kleinen Tochter noch die Mutter, ein Sohn und eine weitere Tochter, die aber das Haus schon verlassen hat, gehören, helfen genau diese Umstände, so ganz langsam wieder zu sich zu finden, die Liebe füreinander zu entdecken und eine Familie zu werden, wie das so ist in Krisenzeiten.
Große Geschichten sind nicht zwangsläufig und ausschließlich die Geschichten, die wir tagein tagaus in den Nachrichten hören, sehen oder lesen. Große Geschichten wohnen in uns Menschen und kommen auch hier und da auf die eine oder andere Weise zum Vorschein. So wie hier in diesem bemerkenswerten Buch, das nun im EINBUCH Buch- und Literaturverlag Leipzig erschienen ist.
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394 Wörter; 2421 Zeichen